Wasserstoff-Rohre auf einer Wiese als Teil der Wasserstoff-Infrastruktur mit Windrädern im Hintergrund

Wasserstoff-Infrastruktur: Das Netz für die neue Energie.

28.02.2022 Lesezeit: 8 min Nachhaltigkeit

Eine leistungsfähige Wasserstoff-Infrastruktur sorgt dafür, dass klimafreundliches Gas schnell und sicher dorthin gelangt, wo es für die Energiewende gebraucht wird. Auch das bestehende Erdgasfernnetz lässt sich dafür nutzen. Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Wasserstoff könnte dabei eine wichtige Rolle spielen – doch nur dann, wenn es gelingt, eine funktionierende Wasserstoff-Infrastruktur aufzubauen, sowohl vor Ort als auch überregional und international.

So trägt Wasserstoff zur Energiewende bei

Als wichtiger Baustein der Energiewende ist der Einsatz von Wasserstoff in vielen Bereichen denkbar: als Alternative zu herkömmlichen Brenn-, Kraft- oder Rohstoffen, in der Industrie genauso wie in der Mobilität oder auch für die Erzeugung von Wärme in Gebäuden. Der Wasserstoff sollte dabei idealerweise klimaneutral produziert worden sein.

Nicht nur grün und grau: Wasserstoff gibt es in vielen Farben

Wasserstoff ist farblos und unsichtbar. Trotzdem gibt es eine ganze Wasserstoff-Farbpalette: grün, grau, blau, türkis, gelb, weiß – je nach Art des Herstellungs-Verfahrens oder der Herkunft des Stroms, der für die Herstellung verwendet wird.

Das Gas mit der chemischen Formel H2 setzt sich aus zwei Wasserstoffatomen zusammen. Herstellen lässt es sich mit unterschiedlichen Verfahren. Eines davon ist die Elektrolyse, bei der Wasser (H2O) unter Einsatz von Strom in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten wird.

  • Kommt dabei der Strom aus regenerativen Energiequellen, ist die Produktion frei von CO2-Emissionen und ergibt „grünen“ Wasserstoff.
  • Werden im Herstellungsprozess fossile Energieträger verwendet, spricht man von „grauem“ Wasserstoff.
  • „Blauer“ Wasserstoff entsteht durch die Spaltung von Erdgas in H2O und CO2. Das entstehende Kohlendioxid wird gespeichert oder industriell weiterverarbeitet.
  • Wird er durch Zerlegung im Hochtemperaturreaktor aus Methan gewonnen, wird er „türkis“ genannt – vorausgesetzt der Reaktor wird mit regenerativer Energie betrieben.
  • Natürlich entstandener Wasserstoff wird als „weiß“ bezeichnet.
  • Werden zur Herstellung sowohl erneuerbare als fossile Energie genutzt, nennt man ihn „gelb“.
  • Diverse Rottöne stehen für die Erzeugung mit Hilfe von Atomstrom.
  • Als „braun“ bezeichnet man ihn, wenn zur Herstellung Strom aus Kohle verwendet wird.

Umgekehrt wird bei der Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser – beispielsweise in einer Brennstoffzelle – Energie in Form von Strom frei. Dieser steht für verschiedene Anwendungen emissionsfrei zur Verfügung.

Industrie, Wärme, Verkehr: Wo ist der Einsatz von Wasserstoff am sinnvollsten?

Als erneuerbarer Brenn-, Kraft- und Rohstoff wird Wasserstoff langfristig vor allem in der chemischen Industrie benötigt, beispielsweise bei der Ammoniak-Herstellung, in der Stahlindustrie sowie im Luft- und Schiffsverkehr und in Teilen des Schwerlastverkehrs – so die Einschätzung des Umweltbundesamts. In Industriezweigen, die Wasserstoff in großen Mengen benötigen (entweder als Grundstoff oder als Prozessgas), kann klimaneutral produzierter Wasserstoff den „grauen“ Wasserstoff ersetzen und hohe CO2-Reduktionen erzielen. Eine vollständige Dekarbonisierung der Industrie setzt die Verfügbarkeit von klimaneutralem, grünem Wasserstoff voraus.

Im Gebäudesektor hält das Umweltbundesamt den Einsatz von Wasserstoff für weniger effizient als andere Lösungen, wie zum Beispiel Wärmepumpen.

In bestimmten Verkehrsbereichen ist eine direkte Nutzung von erneuerbarem Strom nicht möglich, etwa weil der Energiebedarf zu hoch ist oder die derzeitigen Batterien (noch) nicht den erforderlichen Reichweiten genügen. Dazu gehören der Seeverkehr, der Flugverkehr und auch Teilbereiche des Straßengüterfernverkehrs. Auch hier ist der Einsatz von Wasserstoff direkt oder indirekt (über sogenannte E-Fuels) sinnvoll.

Grünes Icon mit einer Hand, die eine leuchtende Glühlampe hält

Was sind eigentlich E-Fuels?

Wasserstoff kann nicht nur direkt verwendet werden, sondern lässt sich auch in andere Energieträger umwandeln. Dies geschieht in sogenannten „Power-to-X“-Verfahren (PtX). Dabei wird mittels Strom (Power) im Elektrolyse-Verfahren Wasserstoff erzeugt, der dann wiederum weiterverarbeitet wird:

  • Power-to-Gas (PtG): Der elektrolytisch produzierte Wasserstoff wird in synthetisches Methan umgewandelt, welches dem Erdgas gleicht.
  • Power-to-Liquids (PtL): Der Wasserstoff wird weiterverarbeitet zu flüssigen Folgeprodukten („Liquids“), beispielsweise Diesel oder Kerosin. Diese synthetischen – auch „strombasiert“ genannten – Brenn- und Kraftstoffe werden als E-Fuels bezeichnet. Benötigt werden sie dort, wo erneuerbarer Strom (noch) nicht direkt eingesetzt werden kann, etwa in Flugzeugen, Schiffen und Lastkraftwagen.

Immer mehr Wasserstofftankstellen in Deutschland und Europa

Wasserstoff als alternativer Treibstoff lohnt sich, wenn hohe Reichweiten, das Fahrzeuggewicht, eine hohe Zuladung oder der Einsatz bei kalten Umgebungsbedingungen unter 0 Grad Celsius relevant sind – und immer dann, wenn Betankungszeiten eine wirtschaftliche Rolle spielen. Wasserstofftankstellen sind also in erster Linie für den Lkw-Fernverkehr notwendig. Dafür wird das Tankstellennetz stetig ausgebaut – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 92 Wasserstofftankstellen, in Europa wurden im Jahr 2020 124 Wasserstofftankstellen gezählt.

Erst die Wasserstoff-Infrastruktur … oder erst die Nachfrage?

Wer sind die Abnehmer von Wasserstoff? In welchen Bereichen soll Wasserstoff eingesetzt werden? Worauf sollte man sich beim Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur konzentrieren? Wo ist der Bedarf an Wasserstoff zukünftig am größten, und wo profitiert der Klimaschutz am meisten?

Die Antworten darauf zeigen, welche Wasserstoff-Infrastruktur erforderlich ist und wie sie ausgebaut werden sollte. Andererseits: Muss nicht das Versorgungsnetz und die Verfügbarkeit von Wasserstoff für den sogenannten „Markthochlauf“, also die Steigerung der Nachfrage und den wachsenden Absatz, zuerst vorhanden sein? Ein typisches Henne-Ei-Problem.

Der Nationale Wasserstoffrat, ein von der Bundesregierung im Juni 2020 berufenes Expertengremium, sieht in der Wasserstoff-Infrastruktur die Voraussetzung dafür, dass ein funktionierender Markt entstehen kann. Dafür braucht es auch überregionale Wasserstofftransporte, die Produzenten und Konsumenten, Angebot und Nachfrage zueinander bringen und den deutschen Wasserstoffmarkt in ein europäisches Netz integrieren.

Wenn klar ist, wo Wasserstoff hergestellt werden kann und wo er benötigt wird – in der breiten Fläche, für mobile Anwendungen oder für stationäre Abnehmer – stellt sich die Frage nach der Wasserstoff-Infrastruktur: Wie kommt der Wasserstoff von A nach B? Und: Wie und wo kann er gespeichert werden?

Transport: Wie und womit lässt sich Wasserstoff von A nach B bringen?

Wasserstoff lässt sich in Pipelines, also Rohrsystemen oder als sogenanntes Massengut per Bahn oder LKW transportieren. Letzterer eignet sich aufgrund des begrenzten Ladevolumens in erster Linie für die Nahverteilung. Weil sich ein Lkw aber nur mit relativ geringen Mengen des Gases beladen lässt – einfach durch das begrenzte zur Verfügung stehende Ladevolumen – bietet sich der Transport mit Lkw-Trailern auf der Straße allenfalls für kleinere Mengen und die Nahverteilung an.

Für größere Mengen Wasserstoff spielen auf regionaler und nationaler Ebene Pipelines eine zentrale Rolle. Für globale Importe, etwa aus Chile oder Australien, müssen Schiffe genutzt werden.

So lässt sich Wasserstoff transportieren

Wasserstoff lässt sich in unterschiedlicher Form von einem Ort zum anderen bringen – man spricht hier von „Transportmedien“:

  • gasförmig: Am einfachsten ist der Transport von Wasserstoff als Gas in Pipelines. Es geht aber auch in speziellen Trailern, hochverdichtet mit bis zu 500 bar. Der Nachteil beim Lkw-Transport: Trotz des hohen Drucks hat Wasserstoff noch immer ein relativ großes Volumen und eine geringe Energiedichte. Damit eignet sich diese Methode vor allem für kleinere Mengen und kürzere Transportwege, also etwa die Versorgung von Tankstellen.
  • flüssig: Für eine höhere Energiedichte – also mehr Energiegehalt bei gleichem Volumen wird Wasserstoff verflüssigt. Dazu muss er auf -253 Grad Celsius abgekühlt werden. Dafür werden rund 30 Prozent der transportierten Energie benötigt. verbraucht. Hinzu kommen Verdunstungsverluste während des Transports und ein hoher Aufwand für die Wärmedämmung von Leitungen und Tanks.
  • umgewandelt in Ammoniak: Mit dieser Methode kann man auf etablierte Transportlösungen zurückgreifen, allerdings gilt Ammoniak als gewässer- und gesundheitsgefährdender Gefahrstoff. Hinzu kommt der Energieverlust bei der Umwandlung.
  • mit Hilfe von sogenannten LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carriers): Diese „flüssigen organischen Wasserstoffträger“ sind Substanzen, die Wasserstoff durch chemische Reaktion aufnehmen und wieder abgeben. Doch auch hier gibt es Umwandlungsverluste. LOHC gelten ebenfalls als gefährlich für Mensch und Umwelt. Ein weiterer Nachteil: Der so transportierte Wasserstoff muss erst gereinigt werden, bevor er in Brennstoffzellen eingesetzt werden kann. Entsprechende Verfahren sind in der Entwicklung.
  • umgewandelt in Methanol: Diese Variante besitzt Vorteile gegenüber Ammoniak: Methanol liegt bei atmosphärischem Druck in flüssiger Form vor und ist weit weniger schädlich. Der Transport ist nahezu problemlos – auch in Pipelines – möglich.

Der Nationale Wasserstoffrat zieht aus einem Vergleich der verschiedenen Transportmethoden und der Gesamtkosten für die jeweilige Wasserstoff-Infrastruktur den Schluss: Die Pipelines sind die wirtschaftlichste Option innerhalb Europas bei Entfernungen bis zu 10.000 Kilometern – sogar dann, wenn dafür Pipelines neu gebaut werden müssten.

Noch besser schneiden die Fernleitungen ab, wenn das bestehende Erdgasfernnetz umgerüstet und genutzt wird. Die Vorteile für den zügigen Aufbau einer solchen Infrastruktur sieht das Expertengremium in den niedrigeren Kosten, der schnelleren Realisierung und der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz, weil somit keine weiteren Umwelteingriffe nötig wären. Ergänzt werden muss das bestehende Netz nur dort, wo Erdgasleitungen wegen der Versorgungssicherheit nicht zeitnah umgestellt werden können.

Auch auf lokaler Ebene sind Erdgasverteilnetze in weiten Teilen dazu geeignet, ein Erdgas-Wasserstoff-Gemisch oder reinen Wasserstoff zu transportieren. Die üblichen Rohre besitzen grundsätzlich die entsprechende Materialbeschaffenheit.

Lässt sich Wasserstoff speichern?

Ja. Neben dem Transport sind auch Speichermöglichkeiten ein wichtiger Bestandteil einer umfassenden Wasserstoff-Infrastruktur. Meist unterirdisch angelegt und an das überregionale Transportnetz angeschlossen, entkoppeln sie zeitlich die Erzeugung vom Verbrauch. In Deutschland gibt es mehr als 50 unterirdische Erdgasspeicher, bei denen geprüft werden kann, inwieweit sie zur Speicherung von Wasserstoff geeignet sind.